Für mich fängt jede Libellensaison mit einem Schlupf am eigenen Hausteich an. Im April suche ich dann
an jedem Sonnentag das Ufer nach Libellen ab. Die letzte Aprilwoche wurde ich schon ganz ungeduldig.
Am 29.ten April war es dann soweit - wie jedes Jahr, war wieder eine Frühe Adonislibelle vor allen anderen
Libellen da. Für mich war es DIE GELEGENHEIT das Focusstacking mal
an einer Libelle auszuprobieren.
Der 29.te war wie zum Stacken gemacht, kein Wind, leicht kühl und gleich 4 schlüpfende Adonislibellen.
Eins vorweg - das Ergebnis hat mich echt beeindruckt!
Die Libellensaison 2023 hat begonnen - Endlich
Auf dem Foto ist ein frisch geschlüpftes Weibchen der Frühen Adonislibelle. Eine Stunde vor dieser
Aufnahme hat sie sich noch durch ihre Larvenhaut gequält. Ich hatte Glück, weil ich die Larve schon
gesehen habe, als sie die Wasserlilie hoch geklettert ist. Ich konnte also in Ruhe mein Ministativ auf-
bauen und ein paar kleine Schilfgrashalme entfernen, die im Weg waren.
Die ersten Stacks habe ich mit meinem 180mm Objektiv gemacht, da habe ich einen Abstand von der
Frontlinse zur Libelle von 24 cm. Irgendwann muss ich das mal fotografieren, denn die Frontlinse ist
knapp 4-mal so groß im Durchmesser, wie die Larve der Adonislibelle lang ist. Für eine Libelle wirkt
das schon
etwas bedrohlich. Ich stelle meine Kamera immer erstmal auf, mache 1-2 Aufnahmen und
gehe dann
gut einen Meter zurück und warte dort 1-2 Minuten. Die Libellen werden dadurch i.d.R
deutlich ruhiger.
Mein Weibchen war danach total tiefenentspannt!
Zum Schluss, habe ich noch ein paar Fotos mit meinem Weitwinkelobjektiv in Retrostellung gemacht.
Ich habe ja gesehen, dass sich das Weibchen fast eine Stunde lang ruhig verhalten hat, auch wenn
ich ihr mal kurz etwas dichter auf die Pelle gerückt bin. Mit dem Retro-Adapter habe ich eine Vergrös-
serung von 2 bis 4,6 fach. Das Foto des Monats hat etwa eine 3-fache Vergrößerung auf dem Sensor.
Die Tiefenschärfe
ist da extrem klein, in diesem Fall hatte ich einen Schärfebereich von 0,08 mm.
Für das Bild des Monats
habe ich fast 50 Aufnahmen gebraucht.
Auch wenn ich das Foto stark verkleinern musste, so sieht man doch, was inzwischen mit der aktuellen
Technik möglich ist. Das
Originalbild hat eine 32-mal so hohe Auflösung und ist knapp
100 MB groß.
Die gesamte Aufnahme hat nur knapp zwei Sekunden gedauert...
Aber...
...die Vorbereitung und die Nachbearbeitung von diesem Bild haben echt viel Zeit gekostet.
Das erste Problem ist ein freies Sichtfeld. Von den 4 Libellen saßen zwei so ungünstig, dass man sie
nur von schräg oben hätte fotografieren können. Da wäre natürlich auch was bei rausgekommen,
aber mit einem unruhigeren Hintergrund. Früher konnte ich nicht mit offener Blende fotografieren,
weil sonst nur 1/3 der Libelle scharf gewesen wäre - mit Stacken ist das kein Problem mehr.
Dieses Foto habe ich mit meinem 180mm Objektiv gestackt. Wie gesagt, da war ich mit der Frontlinse
ca. 25-27 cm weit von der Libelle weg. Die Tiefenschärfe ist da viel höher, weil ich ja weiter weg bin.
Das Foto besteht deshalb "nur" aus 22 Fotos.
Bei beiden Bildern ist viel Nacharbeit erforderlich. Man sieht das auf den kleinen Bildern fast nicht, aber
auf vielen Härchen spiegelt sich die Sonne. Das gibt oft nicht nur einen hellen Punkt auf den Haaren,
sondern manchmal auch auf den unscharfen Bildern helle Sterne. Ich benutze Helicon Focus zum
stacken, das Programm
erkennt den "unscharfen Stern" als scharfen Bereich. Ich kann das zwar
von Hand wieder korrigieren, aber das kostet Zeit. Auch bei übereinander liegenden Beinen hat
das Programm manchmal auch Probleme...
Lange Rede, kurzer Sinn
Normalerweise brauche ich für eine Libelle
gut eine Stunde (je nachdem wie lange der Schlupf
dauert) zum Fotografieren - in der Zeit mache ich ca. 20 Fotos. Wenn ich zu Hause bin, schaue
ich mir die Bilder kurz an und lösche die meisten. Von den 20 Fotos behalte ich max. 5. Die Bilder
sind dann so gut, dass ich da fast nie etwas nachbearbeiten muss.
Beim Stacken sieht das ganz anders aus!
Am Wochenende habe ich 4 Libellen beim Schlüpfen fotografiert. Zwei Libellen waren schon fast
fertig, deshalb habe ich zum Fotografieren nur gut 3 Stunden gebraucht. In dieser Zeit habe ich
knapp 70 Stacks mit über 3000 Bildern gemacht - das waren ja meine ersten Stacks, ich wollte
da kein Risiko eingehen. Und ehrlich gesagt, war das auch gut so. Denn jede Bewegung und jeder
Windstoss vernichten den Stack. Man kann zwar ein paar Bilder retten, aber knapp die Hälfte war
Müll. Die Nachbearbeitung hat 20 Stunden gedauert. Von den 3000 Fotos behalte ich 17 Bilder.
Ach ja, dass muss ich auch noch erwähnen. Das Bild des Monat habe ich ja mit einem Retroadapter
gemacht, da muss man bis auf 3 cm
an die Libelle ran. Das funktioniert eh nur wenn es sehr kalt
ist, oder die Libelle, wie beim Schlüpfen, nicht weg kann. Von den 10 Stacks konnte ich gerade mal
3 mit Mühe retten. Natürlich musste ich alle 10 Stacks zuerst bearbeiten, um zu erkennen was ich
retten kann und was nicht. Das Schlimmste ist aber beim Fotografieren, man beschattet sich selbst.
Ich habe mir schon ein Gestell für die Kamera gebaut, an dem eine starke LED-Lampe montiert ist.
Das reicht aber leider nicht aus, ich musste die ISO auf 800 und die Belichtungszeit auf eine 125stel
Sekunde stellen. Das Rauschen kann man gut erkennen, weil es sich beim Stacken nahezu vervielfacht.
Mein Resümee...
...den Retroadapter werde ich im Sommer wahrscheinlich nicht oft dabei haben. Und ja, soviel Zeit
und Ausschuss hatte ich auch noch nie, ABER - so geile Bilder hatte ich auch noch nie.
Und ja, die Bilder kicken alles, was ich auf der Festplatte habe.
Natürlich werde ich weiter stacken, die Vorteile liegen klar auf der Hand:
1) keine Begrenzung beim Schärfebereich
2) schöner Hintergrund bei offener Blende
3) und vor allem, weil jedes Bild ein Erlebnis ist
Ich freue mich auf den Sommer und auf jeden neuen Stack !!!
Falls Du auch stackst,
würde ich mich über einen Erfahrungsaustausch sehr freuen!
Melde Dich doch mal.